Martina Grabski                      


Offenstall

Veröffentlicht am 09.07.2000

Ist ein Offenstall ein offener Stall?

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Offenställe gibt es in vielen Varianten: vom einfachen Unterstand mit Matschauslauf bis zur großen komfortablen Anlage eines Pensionsbetriebes. Im Juni 2000 stellte Gerd-Dieter Kahrs, Offenstallbetreiber aus Wehden bei Bremerhaven, interessierten Pferdefreunden das Konzept seiner Offenstallanlage vor.

Durch die eigenen Isländer inspiriert, lag die Idee nahe in der artgerechten Pensionspferdehaltung ein zweites Standbein für den landwirtschaftlichen Betrieb schaffen.

Eine artgerechte Pferdehaltung bedeutet: auf die Grundbedürfnisse der Pferde einzugehen. Ein Pferd bewegt sich in der Natur täglich ca. 16 Stunden und frisst in dieser Zeit ständig kleine Portionen Gras. Für ihren Stoffwechsel benötigen Pferde das Sonnenlicht, außerdem haben Pferde ein ganz anderes Temperatur empfinden als Menschen. In der freien Wildbahn lebt das Fluchttier Pferd in einer Herde, während einige Pferde in der Herde schlafen wachen andere Pferde über die Herde.

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Eine möglichst artgerechte Pferdehaltung bietet der Offenstall, hier können die Pferde ihren natürlichen Bewegungsdrang nachkommen, soziale Kontakte wie Mähnenkraulen pflegen und bewacht durch die Herde sich ausruhen. Ein zusätzlicher Aspekt in der Offenstallhaltung ist die "Abhärtung" durch ständige äußere Reize wie Trecker, im Wind raschenelnde Blätter usw.

Vorteile einer Offenstallhaltung sind also:

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- Abbau von Bewegungsenergie
- Erlernen und beibehalten der natürlichen Verhaltensweisen
- ausgeglichenere Pferde

natürlich hat eine Offenstallhaltung nicht nur Vorteile, sondern auch einige Nachteile wie:

- höheres Verletzungsrisiko beim Klären der Rangordnung, durch neue Pferde
- höher Aufwand bei einer individuellen Fütterung
- höhere Verwurmungs- u. Ansteckungsgefahr durch engen sozialen Kontakt

Bei der Planung der Offenstallanlage galt es den Bewegungsdrang der Tiere durch eine möglichst weite räumliche Trennung der verschiedenen Bereiche wie Rauhfutteraufen, Kraftfutterstand, Tränke und Ruheraum zu unterstützen. Damit jedes Tier im Ruheraum auch einen Platz finden kann und nicht von einem ranghöherem Pferd ein- oder ausgesperrt werden kann, wurde der Ruheraum in der Mitte geteilt und erhielt auf beiden Seiten jeweils zwei Ein- bzw. Ausgänge. Die beiden Rauhfutterraufen ermöglichen durch bodennahe Fütterung eine natürliche Haltung mit Ausfallschritt beim Fressen, wie er auch bei grasenden Pferden auf der Weide zu sehen ist. Die Dächer der Raufen haben einen Dachüberstand, so dass die Pferde auch bei Regen im trockenem stehen und fressen können.

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Da die individuelle Fütterung mit Kraft- futter in Futterständen nicht nur einen großen Platzbedarf hat sondern auch einen hohen Zeitaufwand erfordert, entschied sich Kahrs für eine computergesteuerte Kraftfutteranlage. Über einen Transponder, der entweder in den Halsmuskel implantiert, in die Mähne eingeflochten oder an einem Halsriemen befestigt wird, erkennt der Futterautomat das Tier und verteilt über den Tag die zugeteilte Kraftfutterportion in mehrere kleine Mahlzeiten.

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An dem Ausgang der Kraftfutterstation schließt ein langer Gang an, der so zu einer zusätzlichen Bewegung animiert und so die Futterstation für rangniedrigere Tiere freigibt.

Die angrenzenden Weiden sind über Treibegänge mit dem Auslauf verbunden, so entfällt das Aufhalftern und Führen der einzelnen Pferde zu den Weiden. Außerdem können sich dadurch die Pferde frei entscheiden, ob sie lieber auf der Weide, auf dem Sandauslauf oder im Stall stehen wollen.

Die gesamte Offenstallanlage, auch der Ruhebereich, hat einen Boden aus Sand. Sand hat den Vorteil, dass im Boden keine Fäulnisprozesse (Ammoniakgase) einsetzen da der Sand nicht organisch ist. Außerdem wurde festgestellt, dass im Sand weniger Fliegeneier abgelegt werden.

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Angrenzend an die großzügige Anlage befinden sich für Neuzugänge oder kranke Pferde zwei Boxen mit Paddock. Die neuen Pferde können die Herde so erstmal über den Zaun kennenlernen und ganz individuell nach ein paar Tagen oder Wochen wird der Neuzugang mit der Herde zusammen auf eine der großen Weiden gelassen.

Zu der Anlage gehören selbstverständlich noch ein beleuchteter Reitplatz, ein Roundpen, ein gemütliches Reiterstübchen mit sanitären Einrichtungen sowie einer Übernachtungs- möglichkeit für Wanderreiter im Dachgeschoss.

Ebenfalls zu dem Konzept der Offenstallanlage gehört ein einheitliches Impf- und Ent- wurmungsmanagement d.h. alle Pferde werden gegen Husten und Herpes möglichst im selbem Zeitraum geimpft, eine Impfung der Pferde gegen Tetanus wird wegen der erhöhten Verletzungsgefahr empfohlen. Um die Gefahr der Verwurmung zu verhindern wird immer die gesamte Herde entwurmt und der Auslauf wird täglich dreimal abgesammelt.

Nachtrag:
Mittlerweile wurde die Stallanlage noch durch einen Auslauf mit Unterstand und computergesteuerte Rauhfutterraufe für leichtfuttrige Pferde, einem kleinen Hengststall sowie einer Reithalle mit angeschlossenen Ausläufen für kleinere Gruppen ergänzt. Ende Juni 2002 zeichnete die LAG (Laufstall-Arbeits-Gemeinschaft e.V.) die Anlage mit 5 Sternen aus.

Wer noch mehr über die Stallanlage der Familie Kahrs erfahren will, der sollte mal die stalleigene Homepage besuchen.



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