– Stahlbleche verstärken Brückenkonstruktion
– Moderne Liebherr-Krantechnik ermöglicht Einsätze unter beengten Bedingungen
Hoch über dem Neckartal entsteht derzeit ein beeindruckendes Bauwerk: Im Zuge der neuen Ortsumfahrung von Horb errichtet das Regierungspräsidium Karlsruhe eine 667 Meter lange und rund 65 Meter Hochbrücke, die künftig die Bundesstraße B32 über den Neckar führen wird. Für den Einbau massiver Stahlbleche an der Unterseite der beiden Fahrbahnstege kamen zwei Liebherr-Krane der Wiesbauer GmbH & Co. KG zum Einsatz – ein Raupenkran LR 1700-1.0 und ein Mobilkran LTM 1650-8.1.

– Die anspruchsvollen Hübe verlangten nicht nur höchste Präzision, sondern auch ein hohes Maß an Planung und Erfahrung. Die Brücke über das Neckartal ist als sogenannte Extradosed-Brücke konzipiert – eine moderne Konstruktionsart, die Elemente einer Schrägseil- und einer Spannbetonbrücke kombiniert. Charakteristisch sind ihre vergleichsweise niedrigen Pylone. Die Hochbrücke Horb zeichnet sich zudem durch schlanken Betonstege aus, die der Brücke eine filigrane Anmutung verleihen. Damit diese dennoch die hohen Biegebelastungen aufnehmen können, werden an der Unterseite der Fahrbahnen durchgehende Stahlbleche eingebaut, die mittels mehrerer tausend Kopfbolzendübel fest mit dem Beton verbunden sind. Diese „Bleche“ sind allerdings keineswegs dünn: Mit Stärken zwischen sieben und 14 Zentimetern und Längen von bis zu 157 Metern handelt es sich um massive Stahlplatten.

Schwerlasten in luftiger Höhe
Anstatt die einzelnen kurze Bleche auf der Brücke zu verschweißen – was den Bau über Wochen blockiert hätte – wurden sie parallel zu den übrigen Bauarbeiten am Boden zu langen Stahlplatten verschweißt, um sie anschließend als Ganzes zu heben. Damit stieg jedoch das Gewicht pro Element auf bis zu 70 Tonnen. Um ein Durchbiegen der Bleche während des Hebens zu verhindern, wurden sie an einer Gittertraverse befestigt. Einschließlich Anschlagmitteln ergaben sich Lasten von 85 und 102 Tonnen, die vom Tal auf die entstehende Brücke in 65 Meter Höhe gehoben werden mussten.
Für diese Arbeiten setzte Wiesbauer den LR 1700-1.0 mit 132 Meter Hauptausleger, 12 Meter feste Spitze und bis zu 375 Tonnen Ballast und den LTM 1650-8.1 mit Y-Abspannung, 155 Tonnen Ballast, 16 Meter Teleskop-Verlängerung und 38,5 Meter Wippspitze ein.
Der LR 1700-1.0 wurde ungefähr in der Mitte des Tales direkt vor dem Brückenabschnitt aufgebaut, wo die schwereren Stahlplatten montiert werden mussten. So konnte er diese Lasten allein bewältigen. Für die weiter südlich gelegenen Positionen war aufgrund der größeren Ausladung ein Tandemhub notwendig, bei dem der Raupenkran gemeinsam mit dem LTM 1650-8.1 arbeitete. Dabei legte der LR 1700-1.0 die 85-Tonnen-Last zunächst auf eine erreichbare Position auf der Brücke ab, von wo sie von beiden Kranen gemeinsam an ihre endgültige Position geschwenkt und millimetergenau abgesetzt wurden.

Präzise Technik und millimetergenaue Koordination
Die Kombination aus VarioTray und V-Frame machte den LR 1700-1.0 unter den beengten Einsatzbedingungen zu einem entscheidenden Werkzeug: Der Ballastradius konnte je nach Ausladung zwischen 13 und 21 Metern stufenlos verstellt werden. Bei kleinem Radius reichte teilweise sogar die kleine Palette des VarioTray mit 100 Tonnen Ballast aus.
„Ohne VarioTray und V-Frame wäre der Einsatz in dieser Form nicht möglich gewesen“, erklärt Kranfahrer Ralf Paladey. „Während des Hebens mussten wir den Ballastradius ständig anpassen, um das Gleichgewicht exakt zu halten.“ Der Hub stellte höchste Anforderungen an die Steuerung und das Zusammenspiel beider Maschinen. Beim Tandemhub erreichte der Arbeitsradius des Raupenkrans bis zu 96 Meter.
Enge Verhältnisse und logistische Herausforderungen
Auch der Aufbau der Krane verlangte logistische Raffinesse. Der Einsatzort befand sich in einem engen Tal – nördlich der Neckar, südlich eine Bahnlinie. Eine alternative Aufstellung war ausgeschlossen. Sämtliche Komponenten mussten auf 8-Achser-Tieflader umgeladen werden, um die Serpentinen zum Kranplatz im Tal sicher zu bewältigen. „Schon der Aufbau war Präzisionsarbeit“, berichtet Ralf Hofmann, Fahrer des LTM 1650-8.1. „Beim Montieren der Wippspitze hatten wir gerade einmal einen Meter Platz zum Ende des Wegs.“ Eine Positionierung näher an der Brücke war unmöglich – die Störkante ließ nur etwa einen Meter Spielraum beim Hub.
Wiesbauer hatte verschiedene Varianten durchgerechnet, darunter auch den Einsatz eines stärkeren Raupenkranes. „Unser LR 11000 hätte die Last vom Standplatz aus alleine bewältigen können“, so Projektleiter Jochen Wiesbauer, „aber der Ballastradius hätte ein Schwenken über den Fluss erfordert – und das war nicht möglich.“ Auch ein größerer Mobilkran war in Erwägung gezogen worden, denn der LTM 1650-8.1 arbeitete an seinem Limit. Doch die Abmessungen des 9-achsigen LTM 1750-9.1 ließen eine Anfahrt ins Tal nicht zu.
Planung mit System und Erfahrung
Geplant wurde der Einsatz mit dem Liebherr-Tool LICCON-Einsatzplaner sowie einem CAD-System, um alle Bewegungen und Belastungen exakt zu simulieren. Trotzdem blieb ein Teil der Arbeit Erfahrungswerten überlassen – insbesondere bei der Feinabstimmung der Krane im Tandembetrieb.
„Erfahrung ist hier unverzichtbar“, betont Kranfahrer Tim Moll. „Das lässt sich nicht alles im Voraus berechnen. Entscheidend ist das richtige Augenmaß beim Aufnehmen der Last und beim Positionieren der Ballastpalette.“ Nach mehreren Tagen intensiver Arbeit waren alle vier Bleche sicher montiert – ein Erfolg, der Präzision, Technik und Teamarbeit vereinte
